Selbstbewusstes Schornsteinfegerhandwerk

Andreas Ehlert macht den Kollegen auf der Innungsversammlung Mut

Das Schornsteinfegerhandwerk stellt sich heute selbstbewusst der Öffentlichkeit.

Wir brauchen uns angesichts der Leistungen des Handwerks für die Sicherheit der Bürger in unseren Städten und dem erfolgreichen Wirken des Handwerks im Bereich des Umweltschutzes nicht zu verstecken.

Der Sicherheits- und Umweltstandard unserer Feuerungsanlagen ist vorbildlich in Europa, Er hebt sich weit von unseren Nachbarländern ab. Das ist unser Verdienst.

Obermeister Andreas Ehlert
Obermeister Andreas Ehlert

Diese Verdienste beanspruchen wir nicht für uns alleine, wir teilen sie uns sehr gerne mit unseren Partnern, den Herstellern, den Versorgern und denen, die Feuerstätten errichten und Wartungsarbeiten durchführen.

Heute steht im Mittelpunkt unserer Veranstaltung unser Berufsnachwuchs und das zu Recht. Jungen Damen und Herren, die über Jahre Zeit und Kraft in Ihre Ausbildung gesteckt haben und nun ihr Ziel erreicht haben.

Sie haben einen modernen Beruf mit hoher Tradition gelernt. Sie haben alles richtig gemacht. Auf ihre Leistung können sie zu Recht sehr stolz sein.

Das ist eine Leistung, die nicht selbstverständlich ist. Dennoch darf die Gesellschaft dies von ihnen erwarten. Viel zu lange wurden Fleiß, Ausdauer und Geduld als verzichtbare Sekundärtugenden abqualifiziert. Das muss sich gründlich ändern.

Jeder Einzelne von Ihnen hat bewiesen, dass Leistung lohnt. Mit weniger Leistung wird Deutschland den Weg an die Spitze nicht zurückfinden.

Ich begrüße die jungen Gesellinnen und Gesellen hier in der Stadthalle Düsseldorf auf das Herzlichste und gratuliere ihnen zuallererst - auch im Namen aller Anwesenden - zu ihrem ganz persönlichen Erfolg.

Und ich heiße herzlich willkommen die Zukunft unseres Handwerks. Die Bundessieger, Kammersieger, Obermeister und Kammerpräsidenten von Morgen. Unsere jungen Lehrlinge, die vor wenigen Wochen ihre Lehre begonnen haben. Sie sind herzlich willkommen in der Berufsgemeinschaft.

Festredner MdEP Herbert Reul
Festredner MdEP Herbert Reul

Ich begrüße ganz besonders den Festredner der heutigen Veranstaltung. Aus dem Europäischen Parlament in Brüssel den Europaabgeordneten Herbert Reul.

Sehr geehrter Herr Reul, sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine sehr verehrten Herren Präsidenten, Obermeister, Geschäftsführer und Abgeordneten! Seien Sie alle herzlich willkommen beim Schornsteinfegerhandwerk!

Liebe Gesellinnen und Gesellen. Durch Ihre Anwesenheit zeigen die vielen Ehrengäste ihre Wertschätzung für Qualifizierung und Kompetenz. Damit unterstreichen Sie die Anerkennung ihrer gezeigten Leistungen.

Die Anwesenheit der Ehrengäste ist ein eindrucksvolles Plädoyer für die handwerkliche Berufsausbildung. Sie, feiern heute ihren Erfolg. Sie haben den Willen und das notwendige Durchhaltevermögen bewiesen um das Ziel zu erreichen. Sie sind einen steinigen Weg gegangen, dem Arbeit, Selbstdisziplin und Leistungsbereitschaft vorausging.

Es ist im Übrigen der einzige Weg, der zum Erfolg führt. Das gilt für den Einzelnen wie für eine ganze Gesellschaft. Sie müssen, nun kommt der Wermutstropfen, ständig dazulernen und sie müssen die Meisterprüfung ablegen. Das Qualitätssiegel für handwerkliche Spitzenleistung, für Leistungs- und Ausbildungsfähigkeit.

Denken sie immer daran: Falls sich das Wissen dieser Welt tatsächlich alle fünf Jahre verdoppelt, zumindest vermehrt sich die Informationsmenge entsprechend , dann weiß der, der nichts mehr tut, nach fünf Jahren nur noch die Hälfte.

Sie wissen aber auch, dass ihr erlerntes Handwerk in der Diskussion steht und sie fragen sich, nachdem sie das Fundament gelegt haben, wie ihre Zukunft in diesem Handwerk aussieht.

Zunächst einmal: Schornsteinfeger werden gebraucht: Heute, im nächsten Jahr und in zehn Jahren. Das Schornsteinfegerhandwerk befindet sich aktuell in einem Reformprozess. Zum Einen, wegen der Rechtsauffassung der Europäischen Union, demnach der Markt für Schornsteinfegerarbeiten auch Europäischen Schornsteinfegern zugänglich sein muss. Aber auch, um endlich unnötige Bürokratie abzubauen. Auch wir stehen Veränderungen offen gegenüber. Aber Veränderungen müssen so erfolgen, dass die Vorteile, die damit erreicht werden, die Nachteile überwiegen.

Professor Wolfgang Schulhoff
Professor Wolfgang Schulhoff

Aber da gibt es gelegentlich die Propheten der unbewiesenen Paradiese, Prof. Schulhoff hat diesen treffenden Begriff geprägt. Sie versprechen uns regelmäßig, dass alles besser wird, aber sie haben nichts verstanden.

Ich erinnere an die Reform der HWO. Von rund 1 Mio. neuen Stellen sprach man 2003, wenn nur die notwendige Qualifizierung zur Selbstständigkeit im Handwerk zurück gebaut werde. Stichwort: Meisterbrief. Qualifikation abbauen, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.

Wenn also weniger Qualifikation notwendig ist, um in immer komplexeren Marktumfeldern des Handwerks zu bestehen, dann sollte alles besser werden. Hätten die Verantwortlichen nachgedacht, wäre schnell klar gewesen, dass mit weniger Leistung und geringerer Qualifikationen noch niemals irgendwo Erfolge zu erzielen waren.

Das Ergebnis ist bekannt, entstanden sind steuerbegünstigte Ich-AG`s , die mit subventionierten Preisen Arbeitsplätze in bestehenden Unternehmen gefährdet haben.

Ich AG`s, deren Überlebensdauer vielfach nicht die Zeit erreichte, die ein junger Mensch heute braucht um einen Handwerksberuf zu lernen.

Ehlert, Reul (MdEP), Professor Schulhoff, Beyerstedt und von Wenczowsky
Ehlert, Reul (MdEP), Professor Schulhoff, Beyerstedt und von Wenczowsky

Heute spricht da keiner der Verantwortlichen mehr drüber, aber Qualifikationsstrukturen wurden zerschlagen.

Auch was unser Handwerk angeht, laufen genau die gleichen Propheten herum und versprechen, dass alles besser wird. Alles wird besser, hebt man nur die festen Zuständigkeiten der Schornsteinfeger auf. Alles wird billiger, wenn der Schornsteinfeger nicht mehr von Haus zu Haus seine Kehr- und Prüfarbeiten durchführt.

Wo sind denn eigentlich die, die so was glauben? Wo haben denn solchen Leute das Rechnen gelernt.

Glauben sie denen einfach nicht, glauben sie mir. Nichts wird billiger, das ist Unsinn. Sieht denn hier keiner, dass der Kaiser keine Kleider anhat?

Altgeselle Christoph Haarhoff
Altgeselle Christoph Haarhoff

Die Bürger würden mit erheblich höheren Kosten für Schornsteinfegerarbeiten belastet. Um das zu erkennen muss man kein Prophet sein.

Aber etwas Zweites passiert. Es wird vermehrt zu Unfällen in Verbindung mit Feuerungsanlagen kommen.

Warum, weil der Vollzug der Arbeiten nicht sicher zu stellen ist. Zig-tausende von Kaminöfen, Kachelöfen usw. kommen allein in diesem Herbst neu in die Wohnungen und Häuser unserer Städte.

Ein Boom ohnegleichen, der Spiegel berichtet, dass die Nachfrage nach Feuerstätten für feste Brennstoffe in diesem Jahr um 40% höher liegt als noch vor einem Jahr. Jeder einzelne meiner Kollegen hier im Saal wird das bestätigen können. Diese Feuerstätten stehen in den Häusern und Wohnungen unserer Städte, sie werden benutzt. Benutzt von Bürgern, die den Umgang mit offenem Feuer und den daraus resultierenden Gefahren nie gelernt haben.

Diese Feuerstätten produzieren Rückstände, brennbare Verbrennungsrückstände. Ich frage heute! Wer soll denn sicherstellen, dass diese Verbrennungsrückstände auch entfernt werden?

Bundesinnungsmeister Hans-Günther Beyerstedt
Bundesinnungsmeister Hans-Günther Beyerstedt

Die Kommunen vielleicht, wie in der Schweiz, die vor lauter Anstieg an Bürokratie und Kosten das begonnene Auflösen der festen Zuständigkeiten für Schornsteinfegerarbeiten schnell wieder gestoppt haben? Die Preise für Schornsteinfegerarbeiten stiegen innerhalb weniger Wochen um teilweise mehr als 30%.

Ich fürchte, unsere Kommunen werden sich bedanken, wenn bisher eindeutig geregelte Überprüfungsaufgaben vom Schornsteinfegerhandwerk abgezogen werden und die Kontrollfunktion der jeweiligen Kommune überlassen wird.

Oder will man hier tatsächlich an die Eigenverantwortung des Betreibers appellieren? Wohl wissend, dass der Betrieb solcher Feuerstätten geeignet ist, die Gefährdung anderer Personen nach sich zu ziehen. Den Einzelnen können sie ohnehin nicht schützen, die Allgemeinheit hat aber ein schützenswertes Interesse.

Eigenverantwortung des Betreibers? In Polen, erhielt bis 1989 der Schornsteinfeger nur mit Meisterdiplom einen festen Zuständigkeitsbereich übertragen. Danach hob man diese Regelung auf, man appellierte an die Eigenverantwortung und verzichtete komplett auf eine Kontrolle des Vollzugs der Schornsteinfegerarbeiten.

Hohe Ehrung für Manfred Flore
Hohe Ehrung für Manfred Flore (mitte): LIM Nellen (links) und OM Ehlert überreichten die Urkunde

Als Folge stiegen die Schadensbrände sprunghaft an, jährlich waren bis zu 1.000 CO-Vergiftungen festzustellen. 1.000 CO-Vergiftungen – vielfach mit Todesfolge – in einem Land wie Polen mit 38 Millionen Einwohnern und das pro Jahr.

Erst fünf Jahre später machte die polnische Regierung den Schritt rückgängig, dem Schornsteinfegerhandwerk wurde wieder die alleinige Ausführung der Kehr- und Überprüfungstätigkeiten übertragen. Wenn man Reformen am Schreibtisch plant und keinerlei Ahnung hat, wie die Wirklichkeit in unseren Städten aussieht, dann begeht man schwer wieder gut zu machende Fehler.

Landesinnungsmeister Hans-Günter Nellen
Landesinnungsmeister Hans-Günter Nellen

Das Schornsteinfegerhandwerk hat sich die Struktur, mit den festen Zuständigkeiten nicht erschlichen, sondern der Staat hat es aus guten Gründen so gewollt. 1969 mit dem Inkrafttreten des Schornsteinfegergesetzes, 1990 nach der Wiedervereinigung und 1998 nach der letzten größeren Änderung.

Welche Punkte sind denn für den Kunden letzten Endes wesentlich: Der Bürger möchte doch, das die Arbeit kostengünstig ohne weiteren Verwaltungsaufwand mit höchstmöglicher Sicherheit erfolgt. Dieses Ziel wird im Übrigen bei unseren europäischen Nachbarn ebenso angestrebt wie in Deutschland.

Das Schornsteinfegerhandwerk wirbt deshalb für Reformen, die dem gerecht werden.

Punkt 1
Wir werben im Rahmen des modifizierten Schornsteinfegersystems nach wie vor für feste Zuständigkeiten eines Schornsteinfegers.

Wir können uns aber durchaus vorstellen, dass, wenn die Chemie zwischen dem Bürger und seinem Schornsteinfeger nicht stimmt, dieser einen anderen Schornsteinfeger erhält.

Aber es muss doch ohne zusätzliche Bürokratie sichergestellt werden, dass die Arbeiten des vorbeugenden Brandschutzes auch durchgeführt werden. Der Schornsteinfeger sorgt durch seine feste Zuständigkeit für eine bestimmte Region unbürokratisch genau dafür.

Punkt 2
Wir werben dafür, die einzelnen Zuständigkeitsbereiche, also die so genannten Kehrbezirke auf Zeit ausschreiben.

Das trägt europäischem Rechtsgedanken Rechnung und bedeutet, dass jeder Europäer sich auf einen Zuständigkeitsbereich bewerben kann. Im Wettbewerb erhält der Bessere früher eine feste Zuständigkeit. Das ist insbesondere für Sie, meine jungen Gesellinnen und Gesellen eine Riesenchance.

Punkt 3
Wir möchten Bürokratie abbauen.

Schornsteinfeger arbeiten bürgerfreundlich, unbürokratisch, effizient und kostengünstig. Das von uns vorgeschlagene modifizierte Schornsteinfegersystem ist nach Auffassung von Rechtsexperten mit Europarecht vereinbar.

Ich möchte abschließend einen Punkt ansprechen, bei dem das Schornsteinfegerhandwerk dazu beitragen kann, die energetische Qualität unserer Gebäude voranzubringen.

Im nächsten Jahr steht die Umsetzung der europäischen Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden an. Das heißt, Eigentümer werden potenziellen Käufern oder Mietern einen Ausweis über die so genannte Gesamtenergieeffizienz vorlegen.

Dies ist dann der Energiepass. Zur praktischen Umsetzung führte die Deutsche Energieagentur einen Feldversuch durch. Es wurden über 4.000 Energiepässe von knapp 400 Ausstellern ausgegeben. Von Architekten, Bauingenieuren, Baustatikern aber auch Handwerksmeistern.

26%, also mehr als ein Viertel aller Aussteller waren Schornsteinfeger!!

Die Auswertung machte deutlich, dass der Energiepass eine hohe Markttransparenz und Akzeptanz hat und von den Akteuren verstanden wird.

Frei gesprochene mit Ehrengästen
Frei gesprochene mit Ehrengästen

Das Schornsteinfegerhandwerk wird über zusätzlich erworbene Qualifikationen –das ist in der Regel der geprüfte Gebäudeenergieberater – in diesem Bereich in den festgelegten Grenzen seiner Zuständigkeit seinen Anteil leisten.

Schlusswort des Landessiegers Manuel Siewertz
Manuel Siewertz: Schlusswort des Landessiegers

Wir gehen heute davon aus, dass Ende des kommenden Jahres in jedem Schornsteinfegerbetrieb in NRW mindestens ein geprüfter Gebäudeenergieberater ist.

Liebe jungen Berufsangehörigen. Sie sehen, dass Handwerk lebt und hat Zukunft. Auch diese Fortbildung steht ihnen eines Tages bevor.

Schauen sie der Zukunft mutig ins Auge. Machen sie mutig weiter.

Was wir alle brauchen ist Mut, Mut auch neue Wege zu wagen, denn Angst ist der Feind der Freiheit.

Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit!